Verena Konrad

Die Übersetzerin mit Strahlkraft

Verena Konrad

Seit Verena Konrad 2013 die Leitung des vai Vorarlberger Architektur Instituts übernommen hat, bereichert sie die heimische Baukultur-Szene um einen kritischen, gründlichen Diskurs, eine hochkarätige Ausstellungstätigkeit und umfassende Bildungsprogramme für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

Literatur

„Wir leisten vorwiegend Übersetzungsarbeit“ sagt sie bescheiden und erzählt dann auf einem sprachlich anspruchsvollen Niveau von ihren komplexen Aufgaben und ihrem persönlichen Blick auf Vorarlberg. Vor dem Umzug nach Dornbirn war die Kunsthistorikerin als Kuratorin der Kunsthalle Wien tätig, ihre Ausstellungen und Publikationen geben Zeugnis von hervorragender Forschungs- und Vernetzungsarbeit im Bereich der Architektur und interdisziplinärer Zugänge dazu.

Der strahlende Blick der Kunsthistorikerin verrät ihr Talent, das Gute und Schöne zu sehen und auch in Herausforderungen Chancen zu erkennen. So ist es nicht überraschend, dass sie keine der oft beklagten Schwierigkeiten hatte, in Vorarlberg Anschluss zu finden, nette und interessante Leute kennen zu lernen und sich ein paar Lieblingsplätze zu erobern. Auch hier ist sie bescheiden, denn neben der vielen Arbeit und den beiden noch kleinen Kindern bleibt nicht allzu viel Zeit. Sie weiß, was ihr gut tut – wenige, gute Freundschaften, Wandern in den Bergen und ausreichend Zeit zum Lesen. Offensichtlich gibt es nicht viel, was sie nerven könnte.

„Doch, das eigentumsverhaftete Denken in Vorarlberg nervt mich schon“, gibt sie zu, „aber auch das ist allmählich im Wandel begriffen.“ Sie berichtet von einer neuen Entwicklung, sich auch im Alter nochmals räumlich zu verändern. Anlässlich eines Ausstellungsprojekts zu gemeinschaftlichen, generationenübergreifenden Wohnmodellen rechnete man im vai vor allem mit  dem Interesse junger Familien, doch es waren vorwiegend Menschen ab 60 plus, die auf das Thema reagierten. Einerseits, weil sie den Erhalt etwa ihrer Einfamilienhäuser zunehmend als Belastung empfinden und andererseits als nicht mehr tauglich für ihre sich verändernden Bedürfnisse. Alternative Formen des Zusammenlebens von Menschen in ganz unterschiedlichen Lebensphasen weisen in eine nahe Zukunft, in der auch die stufenweise Annäherung an eine Pflegesituation gelingen kann, im eigenen häuslichen Umfeld und mit möglichst großer Selbstbestimmung. Urbane Tendenzen in einem ländlichen Raum und die Frage, wie wir leben wollen, wenn sich festgefahrene Ideen lösen lassen – genau die richtige Themenstellung für das vai im Jahr 2018 und darüber hinaus. Verena Konrad lässt sich gerne leidenschaftlich über die vielfältigen Aspekte aus, die ihre Aufgaben in der Region mit sich bringen.

Verena Konrad
Herbst Dornbirn
Stadtgarten Dornbirn
“Jetzt bin ich seit sechs Jahren hier und habe noch lange nicht alles gesehen.”

„Vorarlberg ist heute eine weltweit bekannte Architekturdestination. Begonnen hat diese Entwicklung vor mehr als 40 Jahren und mit einer innovativen Verwendung des Werkstoffes Holz. Tradition und Moderne liegen hier ganz nah beisammen,“ sagt sie und betont, wie sehr sie den Vorarlberger Umgang mit Arbeit und Leistung schätzt: „Menschen, die etwas gut können und Dinge, die gut gemacht sind, erfahren hier eine große Wertschätzung. Das schlägt sich auch in der Haltung zu Handwerk und Architektur nieder.“

Ihre Begeisterungsfähigkeit ist ansteckend und es ist auch nicht überraschend, dass die Wahl zur Kommissarin für den österreichischen Pavillon der 16. Architektur-Biennale in Venedig 2018 auf sie fiel. Es bedeutet nichts weniger, als dass ihre persönliche Strahlkraft auch ein helles Licht auf die heimische Baukultur-Szene wirft, obwohl keines der ausgewählten Büros hier arbeitet. Ihre höchst unorthodoxe Auswahl wirft ein Licht auf die Kriterien, die ihr am Herzen liegen: Das gemeinsame Erarbeiten einer komplexen Aufgabe mit interdisziplinärer Zusammensetzung steht sicher an erster Stelle – inklusive der bereits erwähnten Übersetzungsarbeit, die diese unterschiedlichen Formsprachen notwendig macht. Mit Dieter Henke und Marta Schreieck, dem Büro Sagmeister & Walsh und dem Innsbrucker Architektenteam LAAC legte sie auch Wert darauf, dass in den drei Teams Frauen und Männer gleichermaßen in der Führungsrolle zu finden waren. Starke Frauen standen offensichtlich 2018 überhaupt ganz vorne: Die Architektur-Biennale 2018 unter dem Titel “Freespace” wurde von Yvonne Farrell und Shelley McNamara (Grafton Architects) kuratiert.

Ein gelungenes Beispiel für Freespace findet sich im Dornbirner Stadtgarten, wo auch ein zweiter Standort des vai im Holzmodul DOMA residiert – ein Ort für Vermittlungsarbeit, für Kommunikation und freie Sicht auf den Himmel. LAAC Architekten zeichnen für die Stadtnaht Dornbirn verantwortlich, die sich aktuell in der Umsetzung befindet, Stefan Sagmeister ist einer der bekanntesten Grafik-Designer mit Vorarlberger Wurzeln. Man darf auf den österreichischen Pavillon sehr gespannt sein, wenn sich die Tore zum Arsenale am 26. Mai 2018 auch für das Publikum öffnen.

Man darf aber auch gespannt sein, wenn Verena Konrad im vai neue Ziele steckt und mit der ihr eigenen Gründlichkeit verfolgt, denn in Vorarlberg ist die Baukultur noch lange nicht ausgeschöpft. „Jetzt bin ich seit fünf Jahren hier und habe noch lange nicht alles gesehen“, sagt sie und lächelt – bescheiden, aber auch schelmisch.

www.v-a-i.at