Ruth Swoboda

Genug geredet

Klima geht uns alle an

„Wir müssen jetzt konkrete und sichtbare Schritte setzen“, sagt Ruth Swoboda, die 2021 ihr 10-jähriges Jubiläum als naturwissenschaftliche Leiterin der inatura in Dornbirn feiert. Gemeinsam mit Geschäftsführer Peter Schmid führt sie das besucherstärkste  Museum in Vorarlberg und weit über die Landesgrenzen hinaus. Und sie hat es geschafft, das Haus auch im Bildungs- und Forschungsbereich so zu etablieren, dass daraus politische Impulse entstehen.

Ruth Swoboda

Ruth Swoboda war Hochleistungssportlerin im Handball. Sie ist durch und durch Teamplayerin, und die Vernetzungsarbeit, die sie in Vorarlberg und international leistet, ist bemerkenswert. Außerdem wirkt sie, als wäre jeder Erfolg Teil eines großartigen Spiels, das ihr viel Vergnügen bereitet. Nach dem selbstgewählten Ende ihrer sportlichen Karriere studierte sie Biologie und Verhaltensforschung mit Graugänsen und Turmdohlen. Nach Vandans zog sie der Liebe wegen, und ganz bescheiden erzählt sie, dass sie damit rechnete, irgendwo im Verkauf zu landen oder mit viel Glück in der Vermittlungsarbeit bei einer NGO. Aber in Vorarlberg traf sie immer wieder auf hilfreiche Menschen und Institutionen, die ihre Türe für sie weit geöffnet haben. Das versteht man sofort, wenn man mit ihr zu tun hat – sie weiß Menschen an ihrer eigenen Begeisterung teilhaben zu lassen und setzt Energien frei, denen man sich keinesfalls entziehen möchte. Und zu tun gibt es viel.

“Die Diskussion ist vorbei, ob an dem Klimawandel was dran ist. Wir müssen mehrheitsfähig werden, und deshalb muss die Gesellschaft die Diskussion wieder zu sich nehmen.”

Citizen Science und Schule im Freien

Konkrete Schritte bedeuten für die quirlige Direktorin, dass auch ein Museum wie die inatura Verantwortung übernimmt, in der Sensibilisierung der Bevölkerung, in der Einhaltung der eigenen Nachhaltigkeitskriterien, im Bildungsbereich und auch in der Forschung, soweit dies mit einem kleinen Team möglich ist. Dafür nutzt sie etwa ein Format, das in den USA und in England entstanden ist und derzeit auch Österreich erobert: citizen science. Hier werden engagierte und interessierte Laien mit Aufgaben betraut, etwa der Erhebung von Schmetterlingsaufkommen in einer bestimmten Gegend. Die Zahlen fließen in die Forschung ein und werden ausgewertet. Der Citizen Scientist wird, im modernen Sinne, definiert als ein Mitglied der Gesellschaft, das an wissenschaftlicher Arbeit teilnimmt, oft in Zusammenarbeit oder unter der Führung von professionellen Wissenschaftlern oder wissenschaftlichen Institutionen. So steht es im Oxford English Dictionary und die wachsende Zahl leidenschaftlicher Laienforscherinnen und -forscher bestätigen die Annahmen, dass dies ein Erfolgsmodell ist. „Es ist an der Zeit, die Forschung wieder auf Augenhöhe zu bringen und es als gesellschaftlich relevantes Ansinnen zu sehen“, sagt Ruth Swoboda. „Unsere Forschungsabteilung besteht jetzt aus 200 Stellenprozent, das ist ein sehr kleines Team – deshalb sind wir vor drei Jahren auf das Mitforschen lassen gestoßen. Wir wollen den wissenschaftlichen Diskurs nicht nur Expertinnen und Experten überlassen, sondern die Menschen dafür begeistern. Ich freue mich sehr, dass die 7. Citizen Science Konferenz vom 28. bis 30. Juni 2022 bei uns im Haus stattfinden wird. All dies ist auch eine politische Stellungnahme, ich glaube es ist an der Zeit, sich zu positionieren. Alles, was erforscht wurde, muss in der Bevölkerung verstanden werden – das ist einfach wichtig. Der Klimabericht darf nicht dazu führen, dass man resigniert. Natürlich können wir alle ganz persönlich starken Einfluss nehmen, und es geht um jedes halbe Grad.“

Ein ähnliches Wirkungsziel hat auch die Schule draußen in der Natur – ein Lieblingsprojekt des Bildungsteams der inatura Erlebnis Naturschau in Kooperation mit den interessierten Schulen, die so ihrem Zunamen mehr als gerecht wird. Ganze Schulklassen halten den normalen Unterricht im Freien, neben dem vertieften Biologie-Unterricht vor Ort führt diese Form der Schule zu einer nachhaltigen Sensibilisierung der Kinder und Jugendlichen. Dies wirft auch einen Blick auf die Zukunft, denn die naturwissenschaftliche Leiterin setzt stark darauf, Bildung und Forschung zu vertiefen und zu erweitern. Dazu gehören die wechselnden Ausstellungen, die jährlich rund 120.000 Besucherinnen und Besucher ins Haus locken, und das umfangreiche Bildungs- und Exkursionsprogramm in der Natur, wie auch die museumspädagogischen Angebote. Vor der Pandemie verbuchte das Museum absolute Rekordjahre, etwa über 1.000 Kinder- und Jugendgruppen, die Indoor betreut wurden, neben den normalen Besucherströmen, und seit der Öffnung spiegeln die Zahlen dieselbe Intensität wider. „Die Menschen haben ein großes Bedürfnis, sich wieder mehr mit der Natur zu verbinden und sie suchen auch Anleitung“, sagt sie und strahlt dabei. Man würde ihr ein großes Team und noch weitere 20 Jahre für ihre Tätigkeit wünschen. Schließlich ist es damit nicht genug – sie hat noch ganz andere Pläne.

Ruth Swoboda
Ruth Swoboda
Ruth Swoboda

17 Sustainable Development Goals

Seit Monaten arbeiten alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an einem internen Prozess für das österreichische Umweltzeichen für Museen. Dabei wird der gesamte Betrieb gründlich durchforstet und überall dort, wo Handlungsbedarf besteht, werden die Abläufe und Materialien so umgestaltet, dass sie nicht nur dem Umweltzeichen entsprechen, sondern sich auch an den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN orientieren. „Die SDGs, wie diese Entwicklungsziele genannt werden, sind ein perfektes Werkzeug. Unser Haus ist prädestiniert für die Arbeit mit den SDGs,“ meint sie und beschreibt beispielsweise die komplexen Zusammenhänge im Kleinen, wie das Sortiment im Museumsshop und dessen Produktionsbedingungen bis zu den Zulieferketten – bis zum Blick auf den Verlust der Biodiversität im Großen. „Es dauert, bis man das unterste nach oben gekehrt hat und man wirklich Bescheid weiß, wo wir stehen. Und wenn der Shop neu aufgestellt ist, geht es weiter mit den Themen Wirtschaftswachstum und gute Arbeitsplätze – das SDG-Ziel Nummer 8 haben wir bei einer österreichweiten Challenge von ICOM zugeteilt bekommen. Es passt gut in die Auseinandersetzung mit dem Leben in dieser Region, und wir beschäftigen uns damit intern wie auch für die Region. Hier kommen wir wieder zur Vernetzung, denn die Zusammenarbeit mit dem Tourismus pflegen wir beispielsweise auch schon seit vielen Jahren. Man merkt schnell, dass sich die 17 Ziele kaum trennen lassen, sie überschneiden sich und wären auch für das Land Vorarlberg konkrete Ansatzpunkte und Werkzeuge.“

Ruth Swoboda
Ruth Swoboda
Ruth Swoboda

Das Leben in Vorarlberg

Privat wechselt die gebürtige Niederösterreicherin zwischen einer Wohnung in Dornbirn und dem Familienwohnsitz in Vandans. Sie erlebt das Leben in der Region keineswegs als verschlossen, sondern ganz im Gegenteil: „Vorarlberg hat mir so viele Chancen eröffnet, Dinge, die überhaupt nicht selbstverständlich sind. Was hier alles möglich ist, wie vernetzt wird, was alles angeboten wird, die Offenheit der Menschen, das alles beeindruckt mich wirklich sehr. Ich wäre wohl nie mit Arbeitsweisen wie Service Design oder Art of Hosting in Kontakt gekommen, aber hier trifft man die leitenden Personen einfach schneller und kann teilhaben – natürlich muss man auch Ja sagen und sich selbst dafür öffnen, aber ich kenne kein anderes Bundesland, in dem man dann einfach zur Landesrätin geht und ihr ein Projekt vorstellt. Diese Unkompliziertheit und auch der vorhandene Umsetzungswille eröffnen unglaublich viele Chancen. Das genieße ich.“

Zum Glück, denn das könnte dafür sorgen, dass Ruth Swoboda sich noch lange so intensiv dafür engagiert, dass die Naturerlebniswelt und die Klimaziele sich im Bewusstsein der Menschen verankern.