Jürgen Thomas Ernst © Clemens Paul - Bodensee-Vorarlberg Tourismus

Immer mit der Ruhe

Jürgen-Thomas Ernst

Der gelernte Förster und ehemalige Waldaufseher Jürgen-Thomas Ernst ist tief in die Geheimnisse der heimischen Wälder eingedrungen. Als Autor hat er sich schon lange einen Namen gemacht, mit seinen zwei letzten Büchern ist er allerdings auch als Sachbuchautor in Erscheinung getreten. In den „Geheimnissen des Waldes“ nimmt er sein Publikum mit in die heimische Pflanzenwelt und deren erstaunlichen Fähigkeiten – und durch seine Arbeit als Waldpädagoge vermittelt er diese Geheimnisse in spannenden Führungen. Das aktuelle Buch „Der Wald in Zeiten der Veränderung“ spürt den Zeichen der Klimaveränderung in unseren Wäldern nach und wirft dabei einen durchaus hoffnungsvollen Blick in die Zukunft.

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Ein Waldaufseher ist dafür verantwortlich, Veränderungen im Wald zu registrieren, er markiert die Bäume, die gefällt werden dürfen, schlichtet Streitigkeiten, beispielsweise über fehlende Grenzmarkierungen und meldet Krankheitsherde, etwa durch Borkenkäferbefall. Im Grunde fällt alles, was im Wald passiert, in seine Zuständigkeit. Er erkennt schnell, wenn Bäume Stresssymptome zeigen. 

Ein gesunder Baum schützt sich mit Harz gegen die Angriffe von Käfern, sie können ihm nichts anhaben – bei lang anhaltender Trockenheit allerdings wird seine Immunabwehr geschwächt und Borkenkäfer können sich ausbreiten. „Das sind alles regulative Kräfte, auch wenn uns das nicht gefällt. Ist die Trockenheit vorbei, kommen neue Bäume auf, die mit den veränderten Bedingungen besser klarkommen. Unsere Wälder sind sehr stabil,“ sagt Ernst und hat dafür ein schlagendes Argument: „Man muss sich klarmachen, dass Bäume weiter entwickelt sind als Menschen. Ich denke, wir unterschätzen sie gravierend. Sie haben all die Krisen in Millionen von Jahren überstanden, alle Wetterextreme und Klimaveränderungen, die es auf der Erde bereits gab – sie haben also Fähigkeiten, die uns nicht bewusst sind.“

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Schriftsteller und Waldpädagoge

Als Autor hat sich Jürgen-Thomas Ernst längst einen Namen gemacht, er schreibt Theaterstücke, Romane, Krimis und seit einigen Jahren auch Sachbücher über den Wald. 2019 erhielt er für waldpädagogische Projekte den Vorarlberger Schutzwaldpreis, 2020 wurde er mit einem internationalen Preis ausgezeichnet. Seit er sich von seinem sicheren Dienstvertrag bei der Forstabteilung der Landesregierung losgesagt hat und jetzt als selbstständiger Waldpädagoge arbeitet, hat sich nicht nur seine schriftstellerische Produktivität gesteigert, er hat auch bis nächsten Sommer einen ausgebuchten Kalender für Waldführungen von Kindern und Erwachsenen – in den Wäldern von Wolfurt bis nach Gaißau, die er schon als Förster betreut hat. „Wenn ich geahnt hätte, dass die Nachfrage so groß sein würde, hätte ich diesen Schritt schon früher gewagt“, sagt er und erzählt vom Luxus der freien Zeiteinteilung und des konzentrierten Schreibprozesses. Jürgen-Thomas Ernst liebt den Wald und er liebt es auch, dessen Geheimnisse zu vermitteln – an Kinder ebenso wie an Jugendliche und Erwachsene.

„In den Geheimnissen des Waldes geht es darum, welche Heilmittel im Wald wachsen, und wie man sie erkennt – oder welche Pflanzen essbar sind und welche nicht. Es ist das erfolgreichste meiner Bücher, ich sehe ein großes Bedürfnis nach diesem Wissen. Was wir nicht sehen, können wir nicht schützen, deshalb ist es mir wichtig, dass mehr Menschen sensibilisiert werden für das wertvolle Gut, das sie für uns sind.“

Für das neue Manuskript wollte der Autor einen alten Wacholderbaum fotografieren, der in ungewöhnlicher Höhe stand – als er nach langer Abwesenheit zu der Stelle zurückkam, war der Baum gerodet worden. So etwas führt er auf die Unwissenheit der Arbeiter zurück, die den Auftrag haben, Flurbereinigung zu machen. „Ein Wacholderbaum wächst sehr langsam und ist daher selten. Es gibt keinen Grund, ihn zu entfernen – so etwas tut mir weh“, berichtet er.

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Der Wald braucht keine Hilfe von uns

Die Sensibilisierung für Bäume und Pflanzen, die unser Klima möglichst stabil halten ist ein wesentlicher Beitrag für unsere Zukunft. Dass der Wald sich selbst an Veränderungen anpassen kann, scheint offensichtlich zu sein – sofern man weiß, worauf man achten muss. Ernst hält nicht viel davon, dass Experten jetzt davon reden, unsere heimischen Wälder klimafit zu machen: „Der Wald braucht keine Hilfe von uns, er ist ein extrem intelligentes System, ich würde sogar sagen: Es ist makellos. Immer wenn der Mensch hineinpfuscht, repariert der Wald die Fehler wieder. Er ist dabei aber langsamer als der Mensch, der dauernd auf neue Ideen kommt. Jetzt wird von der Douglasie gesprochen, ein in Nordamerika heimischer Baum, der wärmere Temperaturen aushält –der aber nicht nach Österreich gehört. Unsere Insektenvielfalt kann mit ihm nichts anfangen und wir machen mit ihm gerade den nächsten Fehler. Jede Monokultur ist unnatürlich, die Fichtenwälder werden mit höheren Temperaturen nur schlecht zurechtkommen – das Problem ist aber, dass man sie überhaupt so gepflanzt hat und es kaum mehr Mischwälder gibt. Ich bin überzeugt davon, dass wir die falsche Sache diskutieren. Wir haben vor allem ein Umweltproblem, und wir müssen dringend aufhören, die Böden zu versiegeln. Der Raubbau, den wir betreiben, auch die Anzahl der Menschen auf der Erde, das sind große Probleme. Wir könnten vermutlich auch zehn Milliarden Leute ernähren, aber das würde andere Spielregeln benötigen. Mir ist es wichtig, diese Zusammenhänge in meinem Buch darzulegen – wir müssen die Klimaveränderungen wieder sachlicher betrachten und die echten Probleme beheben. Es sollte uns gelingen, diese Themen weniger emotional zu diskutieren.“

“Man muss sich klarmachen, dass Bäume weiter entwickelt sind als Menschen. Ich denke, wir unterschätzen sie gravierend. Sie haben all die Krisen in Millionen von Jahren überstanden, alle Wetterextreme und Klimaveränderungen, die es auf der Erde bereits gab – sie haben also Fähigkeiten, die uns nicht bewusst sind.”

Sein Blick auf die Natur und ihre Regenerationskraft stimmt hoffnungsvoll, und er sieht durchaus noch viel Handlungsspielraum für den Menschen – vor allem gibt es noch viel Bedarf für Baumpflanzungen. Die Frage ist nur, wie es gelingen kann vielleicht sogar die Leichtigkeit eines weniger aufwendigen Lebensstils wieder zu entdecken. Wenn wir die Kultur der Entschleunigung pflegen und diese als wohltuend erfahren, dann kann ein anderer Lebensstil auch attraktiv werden.

„Wir schulden unseren Kindern und Enkeln auch die Zuversicht, dass wir umdenken können,“ sagt Jürgen-Thomas Ernst. Er trägt sowohl mit seinen Büchern als auch mit seiner Vermittlungsarbeit im Wald viel dazu bei – Waldführungen seien Ihnen deshalb wärmstens empfohlen, auch wenn es bei unserem Autor bereits eine gewisse Wartezeit gibt. Der Wald wächst schließlich auch schön langsam.

 

Die Sachbücher von Jürgen-Thomas Ernst sind im Verlag Braumüller erschienen.

Buchungen zu Waldführungen unter www.waldpädagogik.at