Pierre Schäfer, Homunculus

Homunculus - über Puppen und ihr Eigenleben

Pierre Schäfer

In der Region Bodensee-Vorarlberg häufen sich unkonventionelle aber sehr erfolgreiche Festivals – Man denke nur an die Bregenzer Festspiele, die Schubertiade, an das poolbar Festival oder an die Tage der Utopie, um nur einige zu nennen. Auch Homunculus ist die langjährige, ungewöhnliche Erfolgsgeschichte eines Festivals, das jährlich eine Randerscheinung der Theaterkunst nach Hohenems bringt.

Pierre Schäfer, Homunculus
Pierre Schäfer, Homunculus
Homunculus

Der Intendant des Puppentheaterfestivals Homunculus, Pierre Schäfer übergab 2018 die Leitung nach zehn Jahren in die Hände seiner Nachfolgerin Susi Claus – weil er fand, dass es Zeit für frischen Wind geworden sei. Warum eine so seltene und besondere Kunstform wie das Puppentheater in einer kleinen Stadt wie Hohenems so beständig Besucher und Besucherinnen in beeindruckender Zahl anzieht, kann auch Pierre Schäfer nicht ganz erklären – aber eines weiß er:

“Wenn irgendwo auf der Welt ein paar Menschen an etwas glauben und mit Freude und Leidenschaft an ihrer Sache arbeiten, dann setzen sie sich durch.”

Gegründet wurde Homunculus von dem in Hohenems aufgewachsenen Puppentheaterspieler Christoph Bochdansky, der 1992 mit einigen Kollegen für ein Wochenende in Hohenems erste Stücke zeigte. Aus diesen Anfängen entwickelte sich über die Jahre ein Verein, der sich bis heute für diese Kunstform engagiert, aber auch ein treues Publikum, das jedes Jahr nach Hohenems fährt, um sich die neuen Produktionen anzusehen. Inzwischen dauert das Festival eine Woche lang, mit mehreren Aufführungen täglich. Die meisten Menschen aus der Bodenseeregion, die heute zum Stammpublikum zählen, haben diese Form des Theaters erst in Hohenems kennen und lieben gelernt – jährlich kommen rund 3.000 Gäste.

Autor, Regisseur und Dozent

Was mag Pierre Schäfer an Hohenems besonders gern? „Ich war sehr beindruckt, als ich zum ersten Mal diesen Felsen sah und den Palast darunter. Einmal jedes Jahr laufe ich zur Ruine hinauf und schaue mir das Rheintal von oben an. Für mich ist natürlich der Löwensaal der wichtigste Ort, der sich seit der Sanierung noch mehr bewährt – und das Schloßcafé ist ein strategischer Treffpunkt für unsere Besprechungen, mit großartigem Kuchen-Angebot.“ Pierre Schäfer, Dozent an der Schauspielschule in Berlin, Abteilung Puppenspielkunst, hat ein großes Netzwerk in der Szene. Erstens ist diese überschaubar groß und zweitens ist er durch seine Unterrichtstätigkeit am Puls der Nachwuchsförderung und kennt die neuen Talente, die in den nächsten Jahren ein Rolle spielen werden. Er selbst schreibt seine Stücke, inszeniert und unterrichtet – langweilig wird es nicht, auch wenn er vorerst mal Pause macht vom Intendanten-Dasein. Die Puppen für seine letzte Hamlet-Produktion etwa kommen aus der Werkstatt von Susi Wächter, er selbst ist kein Puppenbauer.

Pierre Schäfer, Homunculus

Nach der Werkstatt folgt das Kennenlernen

Wer etwa glaubt, Puppentheater wäre nur etwas für Kinder, der irrt gewaltig – es müssen nicht einmal Puppen in dem Stück vorkommen. „Jedes Objekt, das ich belebe und mit dem ich spiele, kann eine Puppe sein. Die Grenzen sind da sehr fließend, es gibt Großfiguren in denen Leute stecken, Schattenspiel, Masken, oder Mischformen – wir sind im Grund vollkommen frei in der Gestaltung. Ursprünglich war Puppentheater eine Guckkastenbühne, aber das ist längst passé,“ sagt der Mann, dessen Hamlet (Der Fall Hamlet, 2017) aussieht wie der Sänger von Joy Division. Ein anderes seiner Stücke, das 2015 in Hohenems Uraufführung feierte, ist „Looking for Brundhild“ – er kam auf den Stoff, weil ein Teil des Nibelungenliedes im Palast in Hohenems gefunden wurde. Die Geschichte zeigt einen wunderbaren Konflikt auf und behandelt essentielle Fragen nach Rache, Ehre und Liebe. Bis zu fünf oder sechs Rollen übernehmen er und seine Kollegin auf der Bühne und springen dabei in Stimme und Spiel hin und her. Das erfordert eine enorme Konzentration und Spielfreude, und eine genaue Kenntnis der Puppen.

Pierre Schäfer, Homunculus
Pierre Schäfer, Homunculus
Pierre Schäfer, Homunculus

„Ja,“ sagt der Spieler im Hintergrund, „wenn ich eine Puppe zum ersten Mal in die Hand nehme, ihre Gesten, ihre Physiognomie, ihre Wiedersprüche kennen lerne, dann ist das so, wie man allmählich eine Person kennen lernt. Je vertrauter wir sind, desto leichter wird es, sie zu spielen.“

Und es ist doch ein Mysterium

Die Puppen haben auch eine Art eigenes Leben, davon erzählen er und seine Kollegen untereinander – manchmal, vor allem in der Improvisation, spielen sie sich selbst und der Künstler, der im Hintergrund die Puppe führt, staunt über das, was auf der Bühne vor sich geht. Ein kleines Mysterium, über das kein großes Aufhebens gemacht wird – wie sollte man auch so etwas erklären? Es mag aber mit ein Grund sein, dass sich kaum jemand der Magie der Puppen entziehen kann.