Steinebach

Alte Hallen, neues Leben

Am Anfang war das Wasser – entlang der Flüsse und Bäche siedelten erfolgreiche Unternehmer zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit ihren Betrieben an, erzeugten mit Wasserrädern und später mit Turbinen eigenen Strom und brachten so die Industrialisierung nach Vorarlberg. Diese Entwicklung legte auch den Grundstein für die heutige Größe und Bedeutung der Stadt Dornbirn. Die Arbeitsbedingungen von damals sind vielfach dokumentiert, und sie waren vor der Gründung von Gewerkschaften und Gesetzen zum Schutz der Arbeiter/innen (wie überall auf der Welt) hart.

Industriegebäude Steinebach
Steinebach
Steinebach

Textilindustrie und Wasserkraft

Josef Ignaz Rüsch begann mit dem Bau einer Hammerschmiede am Müllerbach, nach und nach entstanden weitere Gebäude und Hallen. Die Rüschwerke belieferten ganz Europa mit geschmiedeten Maschinenteilen, Mühlen, Pressen, Pumpwerken, Kochherden und anderen schweren Teilen, bis 1984 war hier der größte metallverarbeitende Betrieb des Landes angesiedelt. Die Geschichte des Unternehmens ist gut dokumentiert, 1852 beispielsweise wurde die erste Turbine für die eigene Versorgung produziert – die aufkommende Textilindustrie Vorarlbergs hatte großen Bedarf an weiteren. Während des ersten Weltkrieges wurden bereits Granatenbestandteile hergestellt und auch im zweiten Weltkrieg musste der Betrieb für die Rüstungsproduktion arbeiten. Russische Kriegsgefangene sind trauriger Teil der Firmengeschichte. Auch der längste Lohnstreik des Landes – 13 Wochen lang legten die Arbeiter im Jahr 1910 ihre Arbeit nieder – ist Teil der Industrialisierungsgeschichte Vorarlbergs. Nach dem zweiten Weltkrieg gingen die Aufträge zurück, weil die technische Entwicklung kriegsbedingt ins Stocken geraten war. 1984 wurde auch der letzte Produktionszweig, die Gießerei, eingestellt. Seit die Architekten Helmut Dietrich, Hermann Kaufmann, Christian Lenz und Much Untertrifaller jun. mit der Revitalisierung der Gebäude beauftragt wurden, verwandelte sich das Areal in einen Anziehungspunkt für mehr als 100.000 Besucher/innen jährlich. Die inatura zieht mit ihrer erfolgreichen Erlebnis-Ausstellungskonzeption Menschen aus einem großen Einzugsgebiet in die ehemaligen Werkshallen, der Kunstraum Dornbirn und ein Teil des Vorarlberger Architektur Instituts sind ebenfalls attraktive Nutzer des Geländes.

Vom Kaiserbesuch zum shared space

Ähnlich gelungen sind andere neue Nutzungskonzepte von historischen Fabrikshallen, die nach dem Niedergang der Textilindustrie leer standen. Etwa im Gütle, wo eines der ersten zusammenhängenden Ensembles aus Hochbau, Shedhallen, Fabrikantenvilla mit Park und einem imposanten Springbrunnen sowie der Arbeiterwohnungen entstand. Franz Martin Hämmerle gründete 1862 eine Weberei und nutzte die vorhandene Wasserkraft für den Betrieb der Turbinen. Die eigene Spinnerei lieferte das Rohmaterial und damit Unabhängigkeit von Zulieferern, schon 1867 nahm das Unternehmen eine Hochdruckanlage in Betrieb und setzte damit neue Maßstäbe in der Energie-Versorgung. An all diesen Standorten wurde vor dem Krieg technische Entwicklung in Riesenschritten vollbracht. So verband beispielsweise das erste Ferntelefon die Fabrik im Gütle mit der Dependance in der Kirchgasse – legendär deshalb, weil an diesem Apparat Kaiser Franz Joseph I. anlässlich seines Vorarlberg-Besuches das erste Telefonat seines Lebens führte. Heute beherbergt die Villa ein gut frequentiertes Gasthaus, das direkt am Eingang zur Rappenlochschlucht, eine begehrte Wanderdestination, liegt. Im Hochbau der ehemaligen Spinnerei befindet sich heute das Rolls-Royce-Museum, im Glockenturm ein Krippenmuseum und das gesamte Areal bietet an heißen Sommertagen ein beliebtes, weil kühles, Ausflugsziel.

Steinebach
Steinebach
Treppe Fabrik

Kulturszene und Erfindergeist

Auch das Rhomberg Areal ist ein Beispiel für die erfolgreiche Nutzung stillgelegter Fabriksgebäude und die Ansiedlung einer Vielzahl neuer Nutzer unter einem Dach. In den Annalen des Geländes taucht schon sehr früh der Name Ulrich Rhomberg, 1671 geboren, auf, dessen Nachfahre Franz Martin Rhomberg begründete den Textilbetrieb F.M. Rhomberg. Der Name des Gasthauses „Färbers“ stammt allerdings aus der sehr frühen Verwendung des Hauses, und der Platz vor dem Haus fungiert heute als einer der schönsten Gastgärten Dornbirns. Die erste mechanische Textildruckmaschine vom Typ Perrot nahm hier 1857 ihre Arbeit auf, 1869 kam eine Dampfmaschine zum Einsatz, um die Energieversorgung zu verstärken. Bis 1908 kamen zahlreiche Erweiterungen dazu, 1912 erneuerte eine 300 PS starke Dampfmaschine den ersten Typ, die heute noch vorhanden ist. Nach dem ersten Weltkrieg wurde der Export immer wichtiger, der gesamte Herstellungsprozess vom Garn bis zur Konfektion wurde betriebsintern abgedeckt. Maximale Unabhängigkeit war damals die Devise. Hemden, Blusen, Kleider und Trachtenmoden wurden bis zum Konkurs 1993 produziert. Dort, wo heute Konzerte und kulturellen Veranstaltungen des Spielbodens tausende Besucher/innen jährlich anzieht, stand der Maschinenpark der Weberei, die erst 1995 endgültig ihre Tore schloss. Unter den vier runden Betonsheds befinden sich heute ein großer Veranstaltungssaal, ein Foyer, Büroräumlichkeiten, ein kleines Kino mit 40 Sitzplätzen und eine Kantine, adaptiert vom Architekturbüro Riemelmoser, sowie Probensaal, Künstlergarderoben und WCs. Im Rhomberg Areal trifft moderne Architektur auf historische Bausubstanz – hier steht der erste ökologisch erbaute Holzhybrid-Hochbau life cycle tower von Cree GmbH und dem Architekten Hermann Kaufmann. Der ehemalige Wasserturm wurde zu einem Wohnloft umgebaut. Vom Öko-Versandhaus bis zum Radiologen finden sich zahlreiche und unterschiedlichste Unternehmen in den alten Gemäuern. Erhalten geblieben ist auch der überdimensionale Schornstein aus rotem Backstein, ein Wahrzeichen für den lebendigen Gewerbepark des alten Areals –
dem jetzt ein noch größerer Antennenmast beigestellt ist.

Nadelfabrik und Szenelokal

Der Steinebach war Wasserlieferant für das Fabriksgelände des F.M. Hämmerle, der hier eine Färberei, eine Bleicherei und eine Perrotine-Druckerei ansiedelte. Das erste Gebäude, das ehemals genannte Glöckelehus, geht auf eine Nadelfabrik im Jahr 1908 zurück, heute beherbergt es ein Restaurant. Als F.M. Hämmerle das Areal über-nahm, folgten fast jährliche Zubauten bis ins Jahr 1907, bis eben die Kapazitäten an Platz und Energieversorgung an ihre Grenzen stießen. 1939 wurde ein imposanter Bau für die Verwaltung errichtet und hier wie auch bei den Rüschwerken standen einst Barackenlager für Kriegsgefangene. Heute befindet sich in den historischen Mauern ebenfalls eine Ansiedelung unzähliger, kleinerer Firmen. Die F.M. Hämmerle Holding hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Revitalisierung und Generalsanierung von alten Industrieobjekten zu betreiben, so auch das Gütle, die Rüschwerke, das Magazin im Oberdorf oder das Areal Sägen im Stadtzentrum. Es gibt noch zahlreiche stumme Zeugen allein in Dornbirn, die von Industrialisierung, Arbeiterbewegung, wirtschaftlichem Aufschwung, zwei Kriegen und massiven Veränderungen erzählen – heute prägen sie jedenfalls den historischen Aspekt der Stadt Dornbirn, die längst in der Moderne angekommen ist.